Dein wichtigster Kunde droht abzuspringen, wenn ihr nicht endlich seine individuelle Integration liefert. Gleichzeitig pocht das Produktteam auf dringend nötige UX-Verbesserungen – und der Vertrieb drängt auf Features, um noch drei Deals in diesem Quartal abschließen zu können. Kommt dir das bekannt vor?
Die konkurrierenden Prioritäten aus Kundenwünschen, Produktvision und Umsatzzielen bespielen das zentrale Spannungsfeld in der digitalen Produktentwicklung. Die Frage ist nicht, ob diese Prioritäten wichtig sind, denn das sind sie alle. Die Frage ist vielmehr: Welche davon sollte jetzt die Roadmap bestimmen?
Jede dieser Strategien - Customer-led, Product-led und Sales-led - hat ihren eigenen Wert. Aber jede bringt auch Risiken mit sich. Der Schlüssel zum langfristigen Erfolg liegt darin, zu wissen, wann welche Ausrichtung sinnvoll ist und wie man sie im Laufe der Zeit klug austariert.
In diesem Beitrag analysieren wir die Kerneigenschaften jeder Ausrichtung, beleuchten Stärken und Schwächen und geben dir ein praxisnahes Entscheidungsmodell an die Hand, um besser einschätzen zu können, welches Vorgehen am meisten Erfolg verspricht.
Customer-Led: Zuhören als Startpunkt
Bei einem customer-led Ansatz treffen Teams Produktentscheidungen primär auf Basis von Kundenfeedback und -bedürfnissen. Sie priorisieren die Probleme und Wünsche, die Kund:innen äußern.
Stärken
- Sorgt für starken Problem-Solution-Fit
- Baut Vertrauen und Kundenloyalität auf
- Besonders geeignet für frühe Product Discovery Phasen und Ideenfindung
Risiken
- Gefahr von überladenen, unklaren Roadmaps
- Bei mangelnder Methodenkompetenz: Fokus auf die lautesten oder größten Kunden
- Längerfristige Vision und Differenzierung können aus dem Blick geraten
Am besten geeignet für: Frühphasenprodukte, Feature-Exploration, neue Märkte.
Product-Led: Das Produkt spricht für sich
Beim product-led Ansatz ist das Produkt selbst der Haupttreiber für Wachstum. Das bedeutet oft ausgefeilte, self-service onBoardings für neue Kunden, schnelle und iterative Verbesserungen und eine starke Fokussierung auf User Experience und Automatisierungen.
Stärken
- Hoch skalierbar und effizient
- Geringere Abhängigkeit von Vertrieb oder Support
- Ideal für Freemium- oder PLG-Modelle
Risiken
- Komplexe Enterprise-Anforderungen werden evtl. nicht erfüllt
- Strategisches Feedback kann unterpriorisiert werden
- Benötigt starke UX-, Daten- und Infrastrukturkompetenz
Am besten geeignet für: Wachstums- und Reifephasen, SaaS-Produkte, digitalaffine Märkte.
Sales-Led: Dem Geld folgen
Beim sales-led Ansatz werden Roadmap-Entscheidungen stark davon beeinflusst, was zu neuem Geschäft führt. Vertrieb und Produkt arbeiten eng zusammen, um die Wünsche von meist großen Enterprise-Kunden umzusetzen.
Stärken
- Unterstützt große Deals und Umsatzwachstum
- Passt zur Logik von B2B-Beschaffungsprozessen
- Ermöglicht gezielte Individualisierung für wichtige Kunden
Risiken
- Kurzfristige Trade-offs und technische Schulden
- Fragmentierte, schwer wartbare Lösungen
- Potenzielle Konflikte zwischen Produkt- und Vertriebszielen
Am besten geeignet für: Enterprise-Software, regulierte Branchen, komplexer Vertrieb.
Welche Strategie ist die beste?
Die ehrliche Antwort: Keine davon für sich genommen.
Jeder Ansatz passt zu einem bestimmten Reifegrad des Produkts. Erfolgreiche Produktteams wissen, wie sie je nach Produktphase, Kundentyp und Organisation flexibel zwischen den Ansätzen wechseln.
Würde man ein Panel aus erfahrenen Produktstrateg:innen zu dieser Frage diskutieren lassen, dann würde vermutlich diese Zuordnung dabei herauskommen:
- Customer-led starten, um echte Probleme zu validieren
- Product-led skalieren, sobald Wiederholbarkeit erkennbar ist
- Sales-led ergänzen, wenn strategische Enterprise-Kunden im Fokus stehen
Wann welcher Fokus passt: Entscheidungshilfe
"Behandle diese Ansätze wie Werkzeuge – nicht wie Identitäten. Gute Teams wählen den passenden Ansatz für die jeweilige Aufgabe."
Fazit
Strategischer Fokus ist keine Einmalentscheidung. Es ist ein Muster, das man immer wieder hinterfragen und anpassen muss. Customer-led, product-led und sales-led Vorgehensweisen haben alle ihren Platz in der Produktreise.
Entscheidend ist, den richtigen Fokus zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen und die Trade-offs bewusst zu managen.
Willst du tiefer einsteigen? Lass uns sprechen!